Während die USA mittlerweile aktiv ihre Abkopplungsstrategie von China verfolgen, darf die EU nicht auf die Überzeugungsversuche aus Washington hereinfallen. Die chinesisch-europäischen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen sind so eng miteinander verflochten, dass die Verluste eines solchen „Abkoppelns“ viel dramatischer als beim Brexit wären, schreibt das Münchener ifo Institut.
Eine wirtschaftliche „Abkopplung" der EU und Deutschlands von China, dem globalen Produktionszentrum, würde die deutsche Wirtschaft fast sechsmal so viel kosten wie der Austritt Großbritanniens aus der EU („Brexit“), errechnete das Münchner ifo Institut kürzlich.
Durch die Analyse der wirtschaftlichen Auswirkungen von fünf Szenarien - einschließlich der „Abkopplung" der großen westlichen Volkswirtschaften von China -zeigt die vom ifo Institut durchgeführte Studie, wie der Weg der so genannten Abkopplung der deutschen Wirtschaft einen kolossalen Schaden zufügen könnte. Dies lässt unweigerlich die Alarmglocken bei denjenigen in der EU läuten, die für eine einseitige Abkopplung der EU von China werben.
Während sich die USA und China unter der Regie Washingtons auf ein gewisses Maß an technologischer Abkopplung zu bewegen, versuchen die USA gleichzeitig, ihre Verbündeten zu zwingen, ihren Schritten zu folgen - vor allem in strategisch aufstrebenden Branchen wie Halbleiter und künstliche Intelligenz (KI). Die Voice of America (VOA) behauptete in einem Bericht vom Mai, dass die Zusammenarbeit zwischen den USA und der EU in High-Tech-Bereichen weiter verstärkt worden sei und eine wirtschaftliche „Abkopplung" der USA und der EU von China in diesem Sektor daher langsam zur „Realität" werde.
Obwohl der VOA-Bericht stark übertrieben ist, ist eine kleine Gruppe von Politikern und Wissenschaftlern in der EU scheinbar in die US-Falle getappt und hat sich auf die Verschwörung der „Abkopplung von China" eingelassen. Einige in der EU fordern nun ebenfalls eine Abkopplung von China, indem sie die Abhängigkeit der EU von der chinesischen Industrie und den Lieferketten verringern und chinesische Investitionen in strategischen Sektoren sowohl aus wirtschaftlichen als auch aus Gründen der nationalen Sicherheit streng überprüfen wollen.
Eine vollständige wirtschaftliche „Abkopplung" zwischen China und der EU ist jedoch absolut unrealistisch, da die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen China und der Welt so eng miteinander verflochten und gegenseitig abhängig voneinander sind. Was wäre das Ergebnis einer erzwungenen Abkopplung? Die Studie des ifo-Instituts kann der Öffentlichkeit helfen, eine grundlegende Vorstellung zu bekommen: Falls die EU sich von China wirtschaftlich abkoppeln sollte, würde die EU-Wirtschaft voraussichtlich einen noch viel größeren Verlust erleiden als durch den Brexit.
Die chinesische und die europäischen Volkswirtschaften haben sich in den letzten Jahrzehnten eng miteinander verflochten. Der bilaterale Warenhandel zwischen China und der EU erreichte im Jahr 2021 einen Rekordwert von 828,1 Milliarden US-Dollar, und in den ersten sieben Monaten dieses Jahres wuchs der Handel zwischen China und der EU wieder um 8,9 Prozent. China ist mittlerweile für viele Länder, darunter auch Deutschland, zum wichtigsten Handelspartner geworden.
Einige EU-Volkswirtschaften stehen vor wachsenden Herausforderungen wie der COVID-19-Pandemie, der steigenden Inflation, der Energie- und Nahrungsmittelkrise und dem Risiko einer wirtschaftlichen Rezession. Es ist erstaunlich, dass einige EU-Politiker und -Wissenschaftler angesichts solch düsterer wirtschaftlicher Aussichten immer noch die Abkopplungsverschwörung propagieren.
Man darf nicht vergessen, dass es einen „Temperaturunterschied" zwischen den USA und der EU im Umgang mit China-bezogenen Wirtschaftsfragen gibt. Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen China und der EU sind zunehmend verwoben und komplexer geworden, gerade in dem Moment, in dem die USA beginnen, den unheilvollen Plan der „Abkopplung Chinas" zu fördern. Einige EU-Politiker und -Wissenschaftler bezeichnen China als Kooperationspartner und wirtschaftlichen Konkurrenten zugleich, während die meisten Politiker in Washington China lediglich als Konkurrenten oder sogar Rivalen sehen.
Die düstere Prognose des Ifo Instituts mahnt Deutschland und die gesamte EU, ihre Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit China rational und strategisch zu betrachten. Als zwei große Wirtschaftsmächte in der Welt haben China und die EU viele gemeinsame Interessen an der Aufrechterhaltung ihrer stabilen Kooperationsbeziehungen und Industrie- und Lieferketten. Für die EU ist es daher notwendig und vernünftig, sich nicht von den Abkopplungsbestrebungen der USA vereinnahmen zu lassen. Eine solche Standfestigkeit würde allen Volkswirtschaften der EU, einschließlich der deutschen, zugute kommen.