„Die Industrie steht heute vor großen Herausforderungen“, sagte der Veranstalter der diesjährigen Hannover Messe über einige der drängendsten Sorgen für die globalen Fertigungssektoren.
In einem exklusiven Interview mit Xinhua sagte Jochen Köckler, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Messe AG, dass die Industrie mit Herausforderungen wie dem Klimawandel, der Energieknappheit, den hohen Energiepreisen und dem Mangel an Arbeitskräften in den Fabriken konfrontiert sei.
Doch „wir haben Lösungen“, sagte Köckler. Die diesjährige Messe biete zwei Lösungen für die Zukunft, nämlich Digitalisierung der Industrie und Nachhaltigkeit.
Die Hannover Messe 2023 wurde am Montag mit dem Thema der industriellen Transformation eröffnet. Industrieakteure aus den Bereichen Maschinenbau, Elektrotechnik, Digitalisierung und Energie kommen in Hannover zusammen, um zu zeigen, wie Hightech und innovative Lösungen helfen, globale industrielle Herausforderungen zu bewältigen.
KI WIRD ZUR REALITÄT
Künstliche Intelligenz (KI) sei heute „mehr als ein Trend“, sagte Sebastian Schrof, Bionik-Experte des deutschen Unternehmens für Industrieautomatisierung Festo, gegenüber Xinhua. KI sei „bereits ein Standard“.
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In diesem Jahr brachte Festo sein System zur Kultivierung von Biomasse auf die Messe mit, das Automatisierungstechnik zur Kultivierung von Algen im großen Maßstab einsetzt. Die geernteten Algenzellen können weiterverarbeitet werden, und die gewonnene Biomasse kann in der Chemie-, Lebensmittel- oder Pharmaindustrie verwendet werden.
In diesem System setzt Festo Künstliche Intelligenz ein, um Live-Bilder von Zellen zu analysieren.
„KI ist ein Software-Tool oder ein Algorithmus, der uns hilft, das Wachstum von Algen zu optimieren“, sagt Eberhard Klotz, globaler Vertriebsleiter für Industrie 4.0 und KI bei Festo. „Es ist sicherlich auch ein sehr gutes Software-Tool, das uns hilft, industrielle Prozesse zu optimieren.“
KI sei der nächste Schritt der Digitalisierung, sagte Köckler und betonte die Rolle von KI-Technologien bei der besseren Nutzung vorhandener Daten und der Vereinfachung der Kommunikation zwischen Menschen und Produktionsgeräten.
„Sie macht die Arbeit einfacher, schneller und produktiver“, sagte Köckler.
In Hannover präsentierte Google auch seine Lösung zur Nutzung von KI und visueller Inspektion, um einzelne Komponenten zu identifizieren und zu prüfen, ob es Anomalien oder Defekte gibt.
Google habe viel in diese Technologie investiert und setze sie in der Hardware-Produktion ein, sagte Michael Menzel, Spezialist für KI und maschinelles Lernen bei Google. „Es ist sehr hilfreich, wenn man diesen Schritt automatisieren kann.“
DEKARBONISIERUNG DER INDUSTRIE
Slogans wie „weniger CO2-Emissionen“ und „mehr Energie sparen“ wurden auf der Messe häufig genannt und wurden zu einem wichtigen Verkaufsargument für Produkte und Technologien.
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Am Stand des deutschen Unternehmens igus, das Kunststoffe verarbeitet und herstellt, bietet ein Recyclingprojekt namens Chainge den Kunden einen leichteren Zugang zu einer Kreislaufwirtschaft. Es recycelt ausgediente technische Kunststoffe und führt die recycelten Kunststoffe wieder der Produktion zu.
Das Unternehmen startete das Projekt vor drei Jahren und es wurde von den Kunden gut angenommen.
Um eine nachhaltigere Industrie zu erreichen, sei „das Material für uns ein Schlüsselfaktor“, sagte Lena Naumann von igus, Leiterin des Geschäftsbereichs Kunststoffrecycling.
Zurzeit sind laut Naumann recycelte Materialien teurer als neue, was es den Unternehmen schwer macht, sie gegenüber billigeren Optionen zu bevorzugen. "Aber wir sehen, dass viele Unternehmen an dem Punkt angelangt sind, an dem sie sagen: 'Wir müssen etwas für eine nachhaltigere Produktion tun.'"
Andere Anbieter von Industrielösungen, darunter Siemens, Schneider Electric und die chinesische Haier Group, haben ihre Technologien weiterentwickelt, um die industrielle Produktion effizienter und nachhaltiger zu gestalten und den CO2-Ausstoß zu verringern.
AUFSTREBENDE INDUSTRIE 4.0
Der Begriff Industrie 4.0 wurde vor mehr als zehn Jahren auf der Hannover Messe eingeführt.
Nach Angaben des Veranstalters geht es auch heute noch vor allem um vernetzte Maschinen, Sensorik, Daten und Informationen sowie neue Geschäftsmodelle. Daneben stehe aber auch eine offenere und integrativere Denkweise in der Industrie im Vordergrund.
„Industrie 4.0 beschreibt ein Jahrzehnt der Entwicklung“, sagte Köckler und bezeichnete den Begriff als „Startschuss für die Vernetzung der Komponenten in einer Fabrik“.
Mit den im letzten Jahrzehnt gesammelten Daten und Technologien wie KI ist die Industrie heute in der Lage, die Daten zu nutzen, um Produktionsfehler zu erkennen und vorausschauende Wartung einzusetzen.
Für die Zukunft von Industrie 4.0 sieht Köckler die branchenübergreifende Initiative „Manufacturing-X“ als wichtigen Faktor.
Nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz zielt die Initiative darauf ab, durch die Etablierung eines Datenökosystems Unternehmen in die Lage zu versetzen, Daten über die gesamte Produktions- und Lieferkette hinweg eigenständig und gemeinsam zu nutzen.
Führende Unternehmen der Industrie 4.0-Community hätten sich bereits mit ihren Verbänden und Netzwerken an die Umsetzung von „Manufacturing-X“ gemacht, so der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA).
„Industrie 4.0 ist eine Ära, und 'Manufacturing-X' ist ein Zeitraum für die nächsten Jahre, um den Datenaustausch zu organisieren“, sagte Köckler.