Deutsche Direktinvestitionen in China erreichten im ersten Halbjahr 2024 einen neuen Rekordwert, trotz geopolitischer Spannungen. Dies macht deutlich, dass deutsche Unternehmen weiterhin verstärkt auf den chinesischen Markt setzen, insbesondere in Forschung und Entwicklung.
Der rasche Anstieg der Investitionen deutscher Unternehmen in China in der ersten Jahreshälfte sei eine Reaktion der Unternehmen auf die komplexe geopolitische Situation und eine normale Marktentscheidung gewesen, die zeige, dass deutsche Unternehmen China als Innovationsmarkt schätzen, indem sie ihre Investitionen in Forschung und Entwicklung (F&E) erhöhen, erklärten Analysten und Brancheninsider am Mittwoch.
Die „Financial Times“ (FT) berichtete am Dienstag unter Berufung auf Daten der Deutschen Bundesbank, dass die deutschen Direktinvestitionen in China in den ersten drei Monaten des Jahres 2024 2,48 Milliarden Euro erreicht hätten und im zweiten Quartal auf 4,8 Milliarden Euro angestiegen seien. Die Gesamtinvestitionen im ersten Halbjahr beliefen sich auf 7,3 Milliarden Euro, verglichen mit 6,5 Milliarden Euro für das gesamte Jahr 2023, so die FT.
Der Investitionsschub sei trotz der Warnungen der Regierung von Olaf Scholz über die „wachsenden geopolitischen Risiken“ im Zusammenhang mit dem chinesischen Markt und den Forderungen der EU zustande gekommen, so der Bericht.
Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, hat die Unternehmen in der EU wiederholt dazu aufgerufen, sich von der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt abzuwenden.
Der Investitionsschub sei vor allem von großen deutschen Unternehmen getrieben worden, und der Trend dürfte sich in der zweiten Jahreshälfte noch verstärken, wenn mehr Großaufträge an Land gezogen werden, heißt es in dem Bericht.
Chinesische Analysten sagten, dass ab 2023 hohe Produktionskosten, steigende Energie- und Lebensmittelpreise, strengere gesetzliche Vorschriften und die Bürokratie der EU viele EU-Unternehmen dazu gezwungen hätten, ihre Produktion aus der EU in andere Regionen zu verlagern.
Zheng Chunrong, Direktor des Zentrums für Deutschlandstudien an der Tongji-Universität in Shanghai, sagte, dass immer mehr deutsche Unternehmen ihre Lieferketten nach China verlagern würden, weil die EU-Kommission zum „De-Risking“ aufgerufen habe. „Der Trend ist besonders bemerkenswert für große deutsche Unternehmen, die ihre Investitionen auf dem chinesischen Markt, der seit langem ihr größter und profitabelster Einzelmarkt ist, erhöht haben“, so Zheng. „Es handelt sich um Marktentscheidungen, die inmitten der politischen Fanfare des ‚De-Risking‘ und der Versuche, die Unternehmen zu einer Diversifizierung weg von China zu bewegen, getroffen werden.“
Der bilaterale Handel ging in den ersten sieben Monaten des Jahres um 5,7 Prozent auf 115,82 Milliarden US-Dollar zurück, wie chinesische Zolldaten zeigen. Der Wert der deutschen Exporte nach China sank im Vergleich zum Vorjahr um 11,7 Prozent.
Zu den viel beachteten Geschäftsabschlüssen, die in diesem Jahr bekannt gegeben wurden, gehören der Plan von Volkswagen, 2,5 Milliarden Euro in den Ausbau seines Produktions- und Innovationszentrums in Hefei in der ostchinesischen Provinz Anhui zu investieren, und der geplante 2,5 Milliarden Euro teure Ausbau des BMW-Produktionsstandorts Shenyang in der nordostchinesischen Provinz Liaoning.
Maximilian Butek, Geschäftsführer und Vorstandsmitglied der Deutschen Außenhandelskammer in China (Region Ostchina), sagte, es sei keine Überraschung, dass deutsche Unternehmen ihre Direktinvestitionen in China erhöhten, da deutsche Unternehmen weiterhin in ihre chinesischen Betriebe investieren müssten, um angesichts der zunehmenden lokalen Konkurrenz wettbewerbsfähig zu bleiben. China werde als Innovationsmarkt immer wichtiger, was zu mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung führe. Trotz der Herausforderungen und der sich abschwächenden Konjunktur würden sich deutsche Unternehmen weiterhin auf dem chinesischen Markt engagieren, so Butek.
„Unsere Daten zeigen, dass mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen planen, ihre Investitionen im Land zu erhöhen, und die große Mehrheit hat nicht vor, das Land zu verlassen“, so Butek. „Dies gilt insbesondere für Großunternehmen und die Automobil- und Elektronikbranche.“