Philipp Kortüm, Finanzvorstand von TÜV Rheinland, einem renommierten deutschen Prüf- und Zertifizierungsdienstleister, zeigt sich erstaunt über die schnelle Fertigstellung des Phase-II-Labors des TÜV Rheinland in Taicang, einer Stadt in der ostchinesischen Provinz Jiangsu.
Das Yangtze River Delta Operation Hub in Taicang wurde sechs Monate früher als geplant fertiggestellt und ist heute das größte Labor von TÜV Rheinland. Es deckt eine breite Palette von Geschäftsfeldern ab, von Photovoltaik über New Energy Vehicles (NEVs) bis hin zu Textilien.
Die nahe Shanghai gelegene Stadt Taicang erstreckt sich über etwa 800 Quadratkilometer und ist mit mehr als 530 deutschen Unternehmen vor Ort als „Heimatstadt deutscher Unternehmen“ bekannt.
Beginnend in den frühen 1990er Jahren dauerte es 14 Jahre, um die ersten 100 deutschen Investoren nach Taicang zu locken. Für das 400. bis 500. deutsche Unternehmen vor Ort waren hingegen nur zwei Jahre nötig.
Im zweiten Quartal dieses Jahres stiegen die ausländischen Direktinvestitionen aus Deutschland in China auf 4,8 Milliarden Euro (rund 5,3 Milliarden US-Dollar), fast doppelt so viel wie in den ersten drei Monaten, sodass sich die Gesamtsumme für das erste Halbjahr auf 7,3 Milliarden Euro beläuft. Zum Vergleich: Im Jahr 2023 beliefen sich die Gesamtinvestitionen auf 6,5 Milliarden Euro, wie die Financial Times unter Berufung auf Daten der Deutschen Zentralbank berichtet.
Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft zeigt, dass über die Hälfte der 19 Milliarden Euro Gewinne, die deutsche Unternehmen im vergangenen Jahr in China erwirtschafteten, vor Ort reinvestiert werden.
Im April kündigte BMW eine zusätzliche Investition von 20 Milliarden Yuan (rund 2,81 Milliarden US-Dollar) an seinen Produktionsstandort Shenyang an, nachdem das Unternehmen im Nordosten Chinas zwei Jahrzehnte lang rasant expandiert hatte. Auf dem chinesischen Markt lieferte die BMW Group 2023 über 820.000 Fahrzeuge der Marken BMW und MINI aus.
Diese Investition wird für die Modernisierung und technologischen Neuerungen des Werks von BMW Brilliance Automotive Ltd. in Dadong verwendet.
„Die geplante Investition spiegelt nicht nur unser Vertrauen in die langfristigen wirtschaftlichen Aussichten Chinas, sondern auch in die Innovationsfähigkeit unserer chinesischen Partner wider“, sagt Oliver Zipse, Vorstandsvorsitzender der BMW AG.
„Deutsche Unternehmen gehen ihre Investitionsentscheidungen mit einem starken Fokus auf Marktpotenzial und Rentabilität an und analysieren sorgfältig die globalen Märkte, um Regionen mit den höchsten Chancen und Wachstumspotenzialen zu identifizieren“, sagt Zheng Chunrong, Direktor des German Studies Center an der Tongji-Universität.
Michael Schumann, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft, betonte, dass das, was bisher aus Deutschland oder anderen Teilen Europas importiert werden musste, nun aus China bezogen werde. Diese Verschiebung habe zur Entstehung von Produktionsmodellen geführt wie „In China, für China“ und „In China, für die Welt“.
„Über 90 Prozent der weltweit führenden deutschen Unternehmen haben Partnerschaften mit China. Wer auf dem Weltmarkt führend werden will, muss mit China zusammenarbeiten“, sagt Walter Doring, geschäftsführender Gesellschafter der Akademie Deutscher Weltmarktführer, und fügt hinzu, dass deutsche Unternehmen, die in China verankert seien, gute Aussichten und anhaltende Wachstumschancen hätten, was zu einer höheren Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt führe.
Laut Wang Xiangyuan, Sekretär des Stadtkomitees der KP Chinas in Taicang, haben sich über 500 deutsche Unternehmen in Taicang niedergelassen. Um die ausländischen Fachkräfte unterzubringen, hat Taicang eigens eine Straße im deutschen Stil gebaut, die es den Deutschen ermöglicht, den Charme ihres Heimatlandes zu spüren.
„In unserer langjährigen Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmen haben wir festgestellt, dass sie großen Wert auf die Stabilität des chinesischen Geschäftsumfelds legen und es vorziehen, ihre eigenen Entwicklungspläne auf der Grundlage der langfristigen Planung der chinesischen Regierung zu formulieren“, sagt Wang. Von der lokalen Regierung verlange dies ein hohes Maß an politischer Kohärenz.
„Die Erleichterung der Visabestimmungen hat dazu beigetragen, dass Geschäftsreisen zwischen China und Deutschland problemlos möglich sind“, sagt Willi Riester, Chief Technology Officer von Chiron Machine Tool (Taicang) Co., Ltd. „Unsere deutschen Ingenieure können zügig nach China reisen, um Geräte zu reparieren, und innerhalb einer Woche nach Deutschland zurückkehren, was die Effizienz des Unternehmens erheblich steigert.“
Laut Schumann haben deutsche Unternehmer im Allgemeinen einen sehr klaren Sinn für Realität, lassen sich von Fakten statt von Fiktionen leiten und treffen nüchterne Entscheidungen unter Abwägung aller Vor- und Nachteile.
Viele von ihnen würden ihre Zukunft immer noch in China sehen und sich nicht von den ideologisch motivierten Aussagen einiger, die einen Rückzug der deutschen Wirtschaft aus China fordern, blenden lassen. Es seien mehr Engagement und mehr Zusammenarbeit statt Rückzug und Konfrontation nötig, so Schumann.